19/04/2025 0 Kommentare
Karfreitag 2025
Karfreitag 2025
# Predigten

Karfreitag 2025
Joh 19,16-30 Karfreitag 2025
Liebe Gemeinde, liebe Schwestern und Brüder,
„Was gibt es wohl in den allermeisten Familien heute zu essen? Fisch natürlich!“ – So habe ich meine Karfreitagspredigt 1997 begonnen. Ich schaue immer mal wieder in alte Predigten, was ich damals so gesagt habe, und ob ich das heute wiederholen würde. – Also: „Was gibt es wohl heute in den allermeisten Familien zu essen?“ – Keine Ahnung.
In fast 30 Jahren hat sich – nicht bei mir, sondern bei uns als Gesellschaft ganz viel verändert. Es gab Zeiten, da waren die Gottesdienste an Karfreitag fast genauso gut gefüllt wie am Heiligen Abend. Die Karwoche war eine ganz besondere Woche. Und an Karfreitag gab es eben Fisch in einfacher Form. Nicht Lachsröllchen und Forellenkaviar. Nicht edler Räucherfisch oder Schalentiere aus Fernost. – Nein, Fisch in seiner einfachen Form: Gekocht oder gebraten. Mit ein paar Kartoffeln dabei. Und sonst nichts.
Was heute gegessen wird? – Ich weiß es nicht. Aber Fisch nur noch vereinzelt. „Der ist viel zu teuer geworden“, heißt es dann oft. Es hat sich eben viel verändert in den letzten Jahren.
Warum? – Weil Karfreitag und das, was dieser bedeutet, an Inhalt und Bedeutung verloren hat.
„Da ist einer gestorben? – Jesus?“ – „Ja, habe ich wohl schon mal gehört. Aber daraus einen Feiertag machen? Ok. Nehme ich gerne mit. Gibt ein tolles langes Wochenende. Aber mehr davon zu wissen, interessiert mich nicht. Verstehe ich auch nicht.“
Liege ich falsch? So im Allgemeinen? – Nein. Ich glaube nicht.
Und warum? – Vielleicht weil es uns, die wenigen, die mit diesem Karfreitag noch etwas anfangen können, auch schwerfällt zu erklären, was dieser besondere Tag heute bedeutet.
Dieses: Gestorben. Am Kreuz. Es ist vollbracht.
Könnt ihr das erklären? Begreifen? Was da geschehen ist.
Nein, auch für uns ist es letztlich unbegreiflich. Und trifft damit genau den Kern der Karfreitagsbotschaft! Unbegreiflich: dass Gott als Mensch er für uns / für dich und mich gestorben ist. Unbegreiflich: so ist sie eben, die Liebe und Hingabe Gottes für dich und für mich.
Hier am Kreuz und damals auch im Stall von Bethlehem. Unbegreiflich. Damals schon: Dass Gott Mensch geworden ist und sich so in Jesus den Menschen offenbart hat. Dass er als Mensch unter Menschen gelebt und alle seine Macht abgelegt hat, Qualen gelitten und gestorben ist zur Vergebung meiner / eurer Sünden, damit wir leben.
Ich merke, wie ich auf einmal in einen ganz eigenartigen Pastorenwortschatz falle. Worte, die schon seit hunderten von Jahren auf der Kanzel benutzt werden. Viele sagen heute: inhaltsleer und nicht besonders ansprechend. So ganz Unrecht haben sie damit nicht. Doch wie ich mich auch bemühe: Ganz besonders hier am Karfreitag mit dem Kreuzestod von Jesus, fallen mir statt aktueller Worte nur die althergebrachten ein: Sündenvergebung, grenzenlose Liebe, ewiges Leben.
Dieser Tag heute, er lässt sich nicht wirklich erklären, einfach und verständlich machen. Der Tod von Jesus am Kreuz ist und bleibt: unbegreiflich. Denn sollten wir mehr verstehen / begreifen können als so viele andere vor uns?!
Hohepriester, Volk, Soldaten unter dem Kreuz - dass sie es nicht verstanden haben, ist uns geläufig. Aber auch für die meisten anderen war das Geschehen am Kreuz alles andere als begreiflich. Auch die Jünger verstanden nichts. Sie laufen weg, wird uns erzählt, wollen sich verstecken und am liebsten alles vergessen. Nur einer der Elf noch übrig Gebliebenen findet seinen Weg ans Kreuz zu seinem sterbenden Herrn. Alle anderen verkriechen sich, denn ihnen scheint alles so unbegreiflich, so umsonst, so leer.
Aber auch die Frauen und der eine, die da gemeinsam unter dem Kreuz stehen, machen nicht den Eindruck, als wenn sie wirklich verstehen würden, was da vor ihren Augen passiert. Sie schwiegen, nur stumm können sie dastehen und mit Jesus leiden.
Wir sollten also mehr verstehen /begreifen können als sie? Die Tag für Tag an der Seite Jesu waren. Hörten, was er voraussagte und doch nichts verstanden.
Sicher, wir wissen, dass auf Karfreitag Ostern folgt. Das wussten diese noch nicht. Aber macht das, macht Ostern das Geschehen am Kreuz wirklich klarer? Ist Auferstehung nicht nur noch ein weiteres Geheimnis? Das „Geheimnis des Glaubens“?
Wir würden das Geheimnis der Liebe Gottes verfälschen, würden wir sagen, alles sei doch so klar und verständlich. Nein, das Geschehen am Kreuz verstehbar machen zu wollen, hieße, es zu verfälschen. Jesus ist am Kreuz gestorben - und nicht eingeschlafen, wie manche versuchen, das Geschehen dort für sie und uns zu erklären. Nein, Jesus, der Sohn Gottes, der viel mehr war als nur ein besonderer Mensch, er hat gelitten. Ist gestorben. War tot. -- Das ist unbegreiflich. Und doch zentrales Element unseres christlichen Glaubens
Wir leben in einer Zeit, in der Dinge, die nicht verstanden werden, auch nicht geglaubt und schon gar nicht gelebt werden. Wobei: Auch Fakten scheinen viele nicht zu überzeugen. Und: Verstehen wir wirklich alles, was uns alles als verstehbar und wahr vorgemacht wird? Ein Foto eines Geschehens, das 44 Mio. Lichtjahre entfernt ist, also vor 44 Mio. Jahren geschehen ist. – Könnt ihr das verstehen? Kann das irgendwer verstehen? Und doch glauben wir es. Würde ein Foto von Kreuz und Auferstehung also wirklich helfen, unseren Glauben zu stärken oder bei anderen zu wecken? – Nein, denn ich muss glauben wollen, was das Foto mir scheinbar zeigt.
Fotos können Glauben unterstützen, wecken aber nicht. Oder glaubt ihr, dass die ganzen schönen Menschen auf den Covern bunter Zeitschriften wirklich so aussehen, wie man uns glauben machen will? – Alles Lügen, obwohl es doch scheinbar Fotos davon gibt.
Nein, wir glauben nicht jedem Foto. Hoffentlich nicht.
Ein Foto würde uns also nicht helfen. Hier nicht und an vielen anderen Stellen auch nicht. Es kommt darauf an, ob ich glaube, glauben will, was mir als wahr erzählt wird, in Worten oder Bildern.
Und an Karfreitag, heute heißt es: Gott ist Mensch geworden. Er hat alle Macht und Gewalt abgelegt. Er ist für mich gestorben. Er hat meine Schuld auf sich genommen. Sein Tod schenkt mir das Leben.
Das ist und bleibt die unveränderbare Botschaft von Karfreitag. Unbegreiflich, wie Gottes Liebe überhaupt. Ich muss sie nicht verstehen und auch nicht erklären können. Sie ist einfach da, ich brauche sie nur zu nehmen.
In Abwandlung eines Pauluswortes muss es also heute heißen: Das Wort vom Kreuz ist eine Torheit oder Zumutung denen, die nicht glauben wollen oder können; uns aber, die wir glauben wollen oder können, ist es eine Gotteskraft.
Das müssen wir uns und anderen zumuten. Etwas, das man nur glauben und nicht sehen kann.
Unbegreiflich, ja, in der Tat. Und doch so einfach in einer sonst in dieser Zeit immer komplizierter werdenden Welt. Amen.
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